Am 2. März 1998 verschwindet die damals zehnjährige Natascha Kampusch scheinbar spurlos auf ihrem Weg zur Schule.
Was aber weder die Familie noch die Ermittler wissen: Der arbeitslose Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil hat das kleine Mädchen entführt und in einem eigens gebauten Verlies unterhalb seines Hauses eingesperrt.
Was folgt, ist ein acht Jahre andauerndes Martyrium. Natascha Kampusch wird Opfer psychischer und physischer Gewalt und durchlebt ein perfides, jedoch unerklärliches Grauen, aus dem sie sich nach 3096 Tagen selbst befreien kann.
2010 einigte sich Natascha Kampusch mit Bernd Eichinger sowie Constantin Film darauf, ihre Lebensgeschichte, die sie bereits im Buch 3096 Tage beschrieb, zu verfilmen. Eichinger starb 2011, doch das Projekt wurde fortgeführt, um endlich zu erzählen, was in den Jahren der Gefangenschaft wirklich geschah. Als sonderlich fesselnd allerdings kann man dieses Unterfangen kaum beschreiben.
3096 Tage, dem sich die Regisseurin Ruth Thoma annahm, ist ein Film, der versucht, episodisch prägende Ereignisse zu vermitteln, um möglichst eindrücklich zu zeigen, wie sich das Leben der Kampusch in Gefangenschaft gestaltete.
Beklemmend und verstörend ist es oftmals, was der Zuschauer zu sehen bekommt, ohne dass der Volks-Voyerismus, der nach harter Gewalt und krudem Sex in solcherlei Verfilmungen zuweilen geradezu zu schreien scheint, bedient wird. Ästhetisch und äußerst respektvoll gegenüber der ohnehin fragilen Kampusch ist das von Michael Ballhaus aufgenommene Bildmaterial; die Aufmerksamkeit der möglichen Kinobesucher sichert man sich allein durch die zu erzählende Geschichte.
Insbesondere der Däne Thure Lindhart weiß diese schauspielerisch umzusetzen. In der Rolle des Priklopil erstaunt er oftmals, ohne seine Figur zu „vermenschlichen“ und fälschlicherweise nahbarer zu machen. Was dadurch jedoch gewissermaßen entfällt, ist eine Erklärung für das Handeln des Täters, der die Welt schockierte. Gezeichnet wird das Bild des nach außen aalglatten Wieners Wolfgang Priklopil, dessen Bösartigkeit und Wahn sich lediglich in der Sicherheit seiner eigenen vier Wände offenbarten und selbst der eigenen Mutter stets verborgen blieben. Der Wahrheitsanspruch des Films bietet, trotz der im Vorfeld allseits diskutierten und dennoch eingeflossenen Sexszenen, kaum Raum für Mutmaßungen, Spekulationen oder gar ein tiefsehendes Profil dieses Mannes.
Natascha Kampusch hingegen wird nochmals, wie bereits in all den Jahren nach ihrer Flucht, bis in die letzte Pore ausgeleuchtet. Antonia Campell-Hughes mimt die Gefangene und spielt dabei äußerst ambivalent. Mal ist sie die starke Kämpfernatur, die um jeden Preis überleben will; mal das verschüchterte Mädchen, das kaum mehr wiegt als eine 12-jährige.
Und obwohl sie sich ihrer Rolle gut annimmt, bleibt ein fader Beigeschmack. Denn zu oft sieht man der Schauspielerin ihr wahres Alter an und zu oft erkennt man die damit verbundene Weitsicht auf die Dinge des Lebens, wenn sie Lindhart im Spiel beinahe zu keck für die jeweiligen Situationen gegenübertritt und somit eine Beziehung zwischen Natascha Kampusch und Wolfgang Priklopil andeutet, von deren Machtverteilung man andere Vorstellungen hatte.
Letzteres wiederum ist wahrscheinlich ohnehin das größte Manko des Films 3096 Tage. Zwar wird ein übergreifender Einblick in die erschreckende Jugendzeit der Kampusch gegeben, offene Fragen dagegen werden nicht geklärt. Warum beispielsweise setzt sich Natascha Kampusch mit diesem Film den von ihr so verschmähten Medien wieder einmal aus, wenn sie diesen doch gar nichts Neues an Informationen zu bieten hat und damit einmal mehr das Feuer der Spekulationen entfacht?
Warum gibt sie Priklopil, der sich kurz nach ihrer Flucht umbrachte und dessen Namen sie heute nicht mehr nennen mag, ein neues Gesicht, eine neue Plattform, haucht ihm wieder Leben ein? Und worin vor allem liegt letztlich der Reiz des Filmes? Das Phänomen Natascha Kampusch, das seit 2006 immer wieder präsent ist, wird durch 3096 Tage nicht greifbar gemacht, sondern vielmehr und wahrscheinlich insbesondere zu ihrem Leidwesen vollständig verklärt. Und somit die von den Machern beanstandete Notwendigkeit des Films in weite Ferne rücken lässt.